Es ist stockdunkel, eine kräftige Böe reißt mein Tarp fort. Ein tiefes Grollen durchzieht die Nacht. Platzregen. Ich raffe mein Tarp zusammen, wickle mich darin ein. Das Gewitter kommt rasch näher. Blitz und Donner wechseln sich in immer kürzeren Intervallen ab. Es kracht gewaltig. In unmittelbarer Nähe schlagen Blitze ein… Aber zunächst von vorne. Der Selvaggio Blu ist eine unvergleichliche Trekkingtour, die in 5-7 Tagen an Sardiniens Ostküste von Santa Maria Navarese nach Cala Gonone führt.
Ein Geheimtipp?
Nur durch Zufall bin ich vor einigen Jahren in einer Outdoorzeitschrift über diese Traumtour gestolpert. Damals war die Trekkingtour noch ein Geheimtipp. Mehr als zwei Zeilen waren ihr jedoch nicht gewidmet, aber dies sollte reichen meine Neugierde zu wecken. Es war von der schwersten Trekkingtour Europas die Rede. Ob der Selvaggio Blu tatsächlich eine derartige Herausforderung ist und welche Erlebnisse wir auf der Tour gemacht haben erfahrt ihr hier.
Eines noch vorweg. Wir sind den kompletten Selvaggio Blu in fünf Tagesetappen gelaufen. Als Grundlage hat uns der Trekkingführer The Selvaggio Blu Trek von Corrado Conca gute Dienste geleistet. Unser Wasser und Essen haben wir getragen und nicht von einem kommerziellen Anbieter transportieren lassen. By fair means.
Die erste Tagesetappe auf dem Selvaggio Blu: Santa Maria Navarese – Porto Pedroso
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zum Ausgangspunkt St. Maria Navarese zu gelangen. Wer einen Mietwagen hat kann diesen entweder am Start der Tour oder am Ziel in Cala Gonone abstellen. Lässt man das Auto in Cala Gonone stehen muss man morgens mit dem Bus zunächst nach Dorgali, dort umsteigen und dann weiter nach St. Maria Navarese. Dadurch kann man frühestens um 13 Uhr mit der Trekkingtour beginnen. Wir haben uns spontan für die zweite Möglichkeit entschieden und sind im Dunkeln in St. Maria angekommen. Mietwagen im Ort abstellen ist kein Problem. Hier steht er recht sicher.
Nach einer großen Umpackaktion geht es mit Stirnlampen um zehn Uhr nachts in Richtung Pedra Longa. Der erste Abschnitt verläuft auf einem guten Pfad, ohne große Höhenunterschiede, ohne Orientierungsprobleme. Er ist im Dunkeln kein Problem. Gegen Mitternacht kommen wir am Pedra Longa an und schlagen unser Nachtlager auf. Theoretisch könnte man die Tour auch hier beginnen. Aber man kommt nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin und den Mietwagen würde ich auf keinen Fall dort stehen lassen. Für den Schlafplatz bietet sich eine stabile ultraleichte Zeltunterlage an.
Bei Sonnenaufgang beginnt die eigentliche erste Etappe. Nach nur zweieinhalb Stunden erreichen wir auf guten Pfaden das offizielle Ende der ersten Etappe: Cuile de us Piggius (650 hm). Es geht weiter zur Cuile Comidaboes. Hier leben eine ganze Menge Wildschweine und die wissen warum. Man kann nämlich gut und geschützt hinter einem Gemäuer sein Lager aufschlagen.
Klettern im Regen
Der folgende Abschnitt beschert uns traumhafte Ausblicke, Sonne, ein langgestrecktes Karstplateau dann wieder Nebel und kräftigen Regen. Es zieht sich gewaltig und ab der Cuile Sisiera den richtigen Weg zu finden ist uns – auch beim zweiten Mal auf dem Selvaggio Blu – nicht gelungen. Es gibt zwar mehrere mögliche Routen, diese dauern aber deutlich länger als angegeben. Nur einen Weg gibt es allerdings durch den Bacu Tenadili. Einen spektakulären Abstieg auf Wacholderstämmen in die Schlucht hinein und eine schöne Kletterstelle (etwa Grad III) aus ihr heraus. Erst 5-6 Meter an ausschließlich tollem Fels nach oben, dann nach rechts querend (mit Stahlseil und Wacholderstamm) weiter und noch einmal 5 Meter ungesichert, nun aber mit deutlich mehr Luft unterm Hintern, nach oben. Hier muss man absolut schwindelfrei sein und nichts gegen leichte ausgesetzte Kletterstellen ohne Sicherung haben. Die Felsqualität ist aber klasse und die Stelle, selbst bei Regen (wie bei uns) sicher kletterbar.
Es folgen noch einmal traumhafte Aussichten und kurz darauf die Schlafmöglichkeiten, entweder an der Bucht Portu Pedrosu oder bei Portu Cuau, hier jedoch ohne Möglichkeit im Meer zu baden.
Statt den angegebenen 6 Stunden sollte man lieber mit 8-10 Stunden für den als 2. Tagesetappe beschrieben Abschnitt einplanen. Wir haben für die Doppeletappe von der Pedra Longa bis Porto Pedrosu etwa 12 Stunden gebraucht.
Die zweite Tagesetappe auf dem Selvaggio Blu: Porto Pedrosu – Cala Goloritze
Die Nacht war schrecklich. Das Gewitter hat uns im Schlaf überrascht. Unsere Schlafsäcke sind klitschnass. Dafür hat sich das Wetter wieder beruhigt und ohne Schwierigkeiten kommen wir voran. Richtig aufregend wird es erst wieder gegen Ende der Etappe nach der Cuile Pilighittu. Es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Man geht links um den Punta Salinas bis zur Cuile Salinas. Dabei sollte man nicht schon vorher einen Geröllhang in Richtung Cala Sisine hinabsteigen. Dies haben wir beim ersten Mal gemacht, da wir die Cuile Salinas nicht gefunden hatten. Wir sind zwar auch unten angekommen, aber sehr mühselig und mit großen Umwegen.
Highlight auf der zweiten Etappe
Aufregender ist die 2. Variante. Hier geht man rechts um den Punta Salinas herum und kommt etwa 10 Meter oberhalb der Cuile Salinas heraus. Jetzt zunächst ein paar Meter steil herunterkraxeln (noch sicher möglich) und dann an einem an den Fels gelehnten Stamm 5 Meter absteigen. Ob diese Konstruktion noch ausreichend stabil ist, muss jeder selbst beurteilen und ggf. den 30 Minuten Umweg in Kauf nehmen. Lebend unten angekommen ist das Gefühl jedoch phantastisch. Aus meinen Notizen: Es hängt ein Bäumchen zum Festhalten herunter. Befestigt an zwei dünnen Wurzeln, eine bereits gerissen. Das Bäumchen fixiert über eine dünne Bandschlinge zusätzlich den Hauptstamm und schützt ihn vor dem Umkippen… glücklicherweise ist der Stamm unten mit Steinen zusätzlich fixiert.
Nun geht es den steilen Geröllhang hinunter. Plötzlich verläuft unser Weg durch eine winzig kleine, völlig zugewachsene Nebenschlucht, die nie beganngen wird. Aber fast alle Wege führen nach unten und schon bald können wir in der Cala Goloritze ins Wasser springen. Zum ersten Mal seit Beginn der Tour treffen wir hier auf andere Menschen. Wasser ist ein wichtiges Stichwort: In der Mitte der Bucht gibt es eine kleine Quelle, bei der man seinen Wasservorrat auffüllen kann. Im Sommer soll diese versiegen, im März und April war genügend Wasser zum Filtern vorhanden. Wir haben mit dieser Quelle als einzige sicher existierende Wasserversorgung geplant und entsprechend pro Person 8 Liter aufgefüllt. Dass auch auf den folgenden Etappen genügend Wasser vorhanden war, wussten wir hier noch nicht.
Camping ist hier offiziell verboten. Wer auf dem Trek unterwegs ist, hat wenig andere Möglichkeiten und auch die geführten Selvaggio Blu Touren schlagen hier Ihre Zelte auf. Probleme sollte es also keine geben.
Obwohl wir eine Stunde Pause gemacht haben brauchen wir nur 8 Stunden für die Etappe. Hier passen die Zeitangaben aus dem Trekkingführer von Corrado Conca.
Wie geht’s weiter?
Unser Abenteuer auf dem Selvaggio Blu ist in fünf Teile gegliedert. Teil 1 bis 3 sind der Reisebericht, Teil 4 beinhaltet Tipps und Ideen zum Selvaggio Blu und Teil 5 unsere Packliste. Wir freuen uns über Kommentare. Schreibt uns wenn sich die Bedingungen verändert haben oder ihr Fragen habt. Was habt ihr auf dem Selvaggio Blu erlebt?
Nächste Woche geht es mit Teil 2 weiter. Bis bald.